...hapa kazi tu! Hier gibt es nur Arbeit!

Hallo ihr Lieben,

wieder sind einige Wochen seit meinem letzten Eintrag vergangen, aber es ist auch viel los gewesen: Arbeit, Weihnachten, Neujahr, Urlaub auf Sansibar, neues Visum,..

Arbeit:

 

Nach unserem Urlaub in Morogoro hieß es erstmal wieder ran an die Arbeit. Anfangs wurde ich in das 5S-Schema eingearbeitet, was Punkte wie Ordnung, Hygiene, Struktur, etc. bedeutet. Dementsprechend wurde der Kreißsaal aufs gründlichste aufgeräumt und geputzt. Den ein oder anderen Vormittag verbrachte ich damit Utensilien und Aufbewahrungsbehälter zu basteln und sogar die Kreißbetten wurden mit Bürsten und Seife von alten, getrockneten und verkrusteten Blutresten befreit.
So viel Enthusiasmus bezüglich Ordnung und Hygiene war mir neu. Doch es stellte sich schnell heraus, dass die Aktion nicht ohne Grund stattfand, denn am Ende der Woche sollte es eine Kontrolle durch staatliche Mitarbeiter geben.

In den zwei Wochen bis Weihnachten ereigneten sich leider viele Notfälle und spezielle Situationen und meine Arbeitszeit verlängerte sich öfter bis zu 3h..

Zwei Tage davon, die mir besonders im Gedächtnis geblieben sind, möchte ich euch kurz schildern.

 

Der erste Tag fing schon damit an, dass ich mich im Kleidchen, sprich noch nicht umgezogen, bei einer Geburt wiederfand und die Anleitung einer Studentin übernahm. Das Kind wurde nur langsam geboren und die junge Studentin war sich ihrer Arbeitsschritte noch nicht zu 100% sicher.

Um eine Episiotomie (Dammschnitt) kam die werdende Mutter leider nicht drumherum. Danach wurde das Kind umgehend geboren und war nach leichten Startschwierigkeiten dann wohlauf und ich bat eine Hebamme, die sich währenddessen umgezogen hatte, die Naht zu übernehmen.

Kaum war ich nach dem Umziehen zurück im Kreißsaal, erwartete mich schon die nächste Geburt. Zum Glück eine komplikationslose...

Es war mir an diesem Morgen nichtmal möglich mich, wie jeden Morgen, durch die Akten zu wühlen um mir einen Überblick zu verschaffen.
Der Kreißsaal war brechend voll und es wurden aus dem Ward 6 immer mehr Frauen gebracht.

Sobald ich eine Geburt zuende (meist noch nichtmal das) betreut hatte, wartete schon die nächste Frau, um auf den letzten Metern der Geburt begleitet zu werden.
Leider begegnete mir bei der nächsten Geburt ein bereits länger verstorbenes und mazeriertes Kind. Ich fühlte mich schlecht, dass ich der Frau nicht die Zeit und den Raum einräumen konnte, wie ich es gewollt hätte. Ein Spagat zwischen neuen Notfällen und dem Bedürfnis sich um diese Frau zu kümmern – definitiv keine leichte Situation für mich!

Der nächste Notfall blieb nicht aus. Während ich der jungen Mutter des intrauterin verstorbenen Kindes half aufzustehen, wurde im Bett gegenüber ein reanimationspflichtiges Kind geboren. Zwei Hebammen, ein Arzt und eine Studentin kümmerten sich um das Neugeborene und als ich einige Minuten später dazustieß wurde der kleine Junge noch reanimiert. Er hatte eine Herzfrequenz von ca. 70 Schlägen pro Minute und konnte nicht selbstständig atmen.
Eine der Hebammen zauberte einen Tubus hervor, den ich bisher noch nie gesehen hatte und versuchte das Kind zu intubieren...

...auch hier machte sich der Materialmangel wieder bemerkbar, denn es gestaltet sich sehr schwierig ein Kind mit einem Laryngoskop

..vom Baby bis zum Erwachsenen
..vom Baby bis zum Erwachsenen

 

für Erwachsene zu intubieren. Als Intubationsschlauch wurde ein Schlauch zum Absaugen genutzt und es gestaltete sich ebenfalls schwierig den Ambubeutel anzubringen.
Ich hatte wenig Hoffnung für den kleinen Jungen, der zu dem Zeitpunkt seit mehr als 30 Minuten weder Reflexe, noch Tonus und eigenständige Atmung aufwies.
Er wurde weitere 20 Minuten beatmet. Die Herzfrequenz stabilisierte sich zwar, doch ich hatte kein gutes Gefühl und da niemand eine Entscheidung treffen wollte, schrieb ich dann Corinna eine Nachricht, damit sie kommt und sich das Kind anschaut. Blitzschnell stand sie dann auch im Kreißsaal und untersuchte den Kleinen.

→ kein Tonus, keine Reflexe, keine eigenständige Atmung und weite verschwommene Pupillen.
Corinna war sich sofort sicher, dass der kleine Junge Hirntod war und besprach das mit den Ärzten.

Wie schon so oft, fühlte sich niemand dafür verantwortlich die Mutter zu informieren, die schon nach ihrem Kind fragte. Obwohl ich die Geburt nicht betreut hatte, informierte ich die junge Frau mit meinem gebrochenen Kiswahili über die Situation. Sie war vollkommen aufgelöst und auch mir standen die Tränen in den Augen.
Wir entfernten den Tubus und legten ihr ihren Jungen in die Arme. Wenige Minuten später hörte das Herz auf zu schlagen..

Ein schrecklicher Moment! Doch so konnte der Kleine wenigstens in Ruhe in den Armen seiner Mutter gehen und nicht auf einer harten Pritsche neben vielen vitalen Kindern. Und die junge Mutter hatte die Chance sich in Ruhe zu verabschieden.

Ich konnte nicht mehr lange über die Situation nachdenken, weil schon die nächsten Frauen kurz vor der Entbindung standen. Ich leitete zwei Studenten nacheinander bei Geburten an und bat Corinna mich zu unterstützen – sie hat in ihrer Ausbildung bereits Kreißsaalerfahrung sammeln können und ist Spezialisten im Bezug auf die Kinder. Außerdem hatte ich das Gefühl, dass ich sie brauche...

...das Gefühl bestätigte sich dann auch noch.

Während ich Frau A zum Pressen anleitete, leitete ich gleichzeitig zwei Studenten an, die eine Frau bei der Entbindung betreuten. Mit einer der Studentinnen hatte ich bereits schon einige Tage zuvor arbeiten dürfen und sie wusste daher genau, was sie machen muss. Der Kopf des Kindes bei Frau A schnitt ein (war deutlich zu sehen) und gleichzeitig wurde das Kind von Frau B entwickelt. Zunächst wirkte der kleine Junge schlapp und Corinna rannte sofort zur Hilfe, doch ich konnte hören wie er versuchte zu meckern und wenige Augenblicke später begann er zu schreien – puh!

Unterdessen wurde der Kopf des Kindes von Frau A Stück für Stück sichtbarer und wurde letztendlich auch genauso langsam geboren. Die Entwicklung des kindlichen Körpers gestaltete sich dann allerdings schwierig, weil die letzte Rotation der Schultern ausblieb und diese quer anstatt senkrecht im Becken standen. Da mir keine Hebamme und kein Arzt helfen konnten, leitete ich den kindlichen Kopf dammwärts und versuchte anschließend manuell die linke Schulter des Kindes Richtung Damm zu drehen.

Es handelte sich um ein großes Kind und nachdem es geboren wurde wirkte es sehr schlapp. Corinna schnappte sich den Kleinen und nach anfänglichem Absaugen mit anschließenden 5 initialen Beatmungen berappelte er sich allmählich. Atmung, Reflexe, Herzfrequenz und Hautcolorit waren optimal, nur der Tonus in den Armen war verzögert. Es wirkte so, als würde der kleine Junge die Arme in Zeitlupe bewegen. Wir vermuteten direkt eine Plexusparese und Corinna nahm das Neugeborene mit auf die Neointensiv-Station. Dort wurden seine Arme in einer Schonhaltung fixiert und er bewegte sie von Tag zu Tag mehr.

 

Nach diesem Stress flachte die Anzahl an Müttern im Kreißsaal ab. Ich verlegte die Frauen mit ihren Kindern und dokumentierte alles nachträglich.
Auf dem Weg in die Umkleide bat eine Studentin mich um Hilfe bei einer Geburt. Zwei Minuten nachdem ich dazu kam, wurde ein kleiner Junge mit 1900 Gramm leblos geboren.

Ich stellte fest, dass es sich um Zwillinge handelte und prüfte schnell mit dem Pinard-Rohr die Herztöne des 2. Feten, die bei 135 spm lagen (ein guter Wert). Die Fruchtblase war intakt und der vorangehende Teil noch nicht im Beckeneingang. Die Studentin legte einen Zugang in den Arm und informierte die Ärzte.
Nach anschließender Akteneinsicht stellte sich heraus, dass es sich um einen intrauterinen Fruchttod des ersten Gemini (NGB verstirbt bereits im Mutterleib) handelte und das auch der Grund für die Verlegung aus einem anderen Krankenhaus gewesen sei.

 

Gut bedient und völlig erschöpft (ich blieb 2 h länger) gab ich die Aufsicht der Geburt an eine Hebamme ab, die in den Kreißsaal kam, da ich nicht genug Konzentration gehabt hätte um die Geburt adäquat zu betreuen.

 

Der zweite Tag, der mir in Erinnerung bleiben wird, fing ziemlich konfus an. Eine ältere weiße Dame, ich nenne sie im weiteren Verlauf „Prof. Mzungu“, wirbelte im Kreißsaal von Frau zu Frau und übernahm alle Geburten. Nachdem ich mich umgezogen hatte, stieß ich zu einer Reanimation eines Neugeborenen dazu und beobachtete, dass Prof. Mzungu mit den Händen zitternd und nervös ein Kind beatmete, welches bereits bei einer guten Herzfrequenz eingenständig und regelmäßig atmete. Außerdem wehrte sich das Kind bereits gegen die Beatmung und sie stoppte, als ich sie darauf aufmerksam machte.
Ich muss gestehen, dass mein erster Eindruck nicht sehr positiv war, doch ich versuchte sie nicht direkt zu verurteilen – das war nicht leicht.

Ich stellte mich ihr kurz vor und begann mit meiner Arbeit.

Es war an diesem Morgen viel im Kreißsaal zu tun. Ich widmete mich zunächst den Akten um mir einen Überblick zu verschaffen, ergänzte alle fehlenden Informationen nach vorheriger Überprüfung – zum Beispiel fetale Herzfrequenzen oder Wehen, etc – und widmete mich anschließend der Betreuung einer jungen Erstgebärenden. Alles verlief ohne Probleme und als der Kopf einschnitt, kam „Prof. Mzungu“ mit prüfendem Blick dazu. Dadurch ließ ich mich nicht aus der Ruhe bringen. Die Geburt verlief weiterhin ohne Probleme, das kleine Mädchen war wohlauf und ich konnte die Plazenta zeitnah vollständig entwickeln, während das Neugeborene auf der Brust der Mutter im Bonding lag.
Danach kam Prof. Mzungu zu mir und stellte sich mir vor. Sie sei Professorin an einer Universität und die 4 Studenten, die auch im Kreißsaal waren, würden zu ihr gehören. Bevor sie an der Uni gelehrt hat, hat sie im Kreißsaal als Ärztin gearbeitet.

Dann sagte sie mir, dass wir gemeinsam etwas im Kreißsaal verändern und Struktur reinbringen müssten.

Irgendetwas sträubte sich in mir, obwohl ich mir selber in manchen Bereichen oft mehr Struktur wünsche, und ich erklärte ihr, dass Strukturen vorhanden seien, sie müsse sich nur mehr darauf einlassen, dass es durch gegebene Bedingungen andere Strukturen seien. Ich begann mehr und mehr zu verstehen, wie es sein muss, wenn eine „Weiße“ für einen Tag in den Kreißsaal kommt und grundlegend alles versucht zu ändern.
Des weiteren hatte ich die erfolgte Reanimation im Kopf, die normalerweise routinierter erfolgt.

 

Nichts desto trotz war ich sehr interessiert daran, was sie ihren tansanischen Studenten vermittelt.
Ich leitete die Studenten ebenso praktisch an und fragte theoretische Inhalte ab, die besser präsent waren, als bei manchen Hebammen.
Auch das Interesse der Studenten war sehr groß und so machten wir zum Beispiel bei allen Kindern eine ausführliche Erstuntersuchung und prüften alle Reflexe. Jeder übte sich daran die Herzfrequenz zu ermitteln und die Atemzüge auszuzählen. Handgriffe wie der McRoberts bei einer Schulterdystokie (ein Handgriff um eine feststeckende Schulter zu lösen) oder die klassische Armlösung bei einer Beckenendlage (ebenfalls ein Handgriff) waren ebenfalls bekannt.
In diesem Punkt hat sie mich wirklich überrascht.

 

Später am Tag, betreute eine der Studentinnen eine 5G/4P Frau C, dessen Baby in Beckenendlage lag. Da sich die Geburt ein wenig hinzog, beschlossen die Ärzte eine Sectio (Kaiserschnitt) zu machen und die Studentin bereitete alles dafür vor. Frau C musste warten, weil noch eine andere Sectio lief.
Eine halbe Stunde später fing Frau C an zu pressen und ein Steiß blickte uns entgegen. Prof. Mzungu und ich zogen uns Handschuhe an. Sonst war keine Hebamme im Kreißsaal und mit einer Ärztin an meiner Seite, die ihren Aussagen nach schon mehrere BEL betreut hat, fühlte ich mich definitiv sicherer als alleine. Der Steiß und der Rücken des kleinen Mädchens wurden sichtbar und Prof. Mzungu gestand mir, dass sie sich nicht mehr genau an die Armlösung erinnern könne. Ich war sprachlos!
Die Schulterblätter wurden sichtbar und ich versuchte das Mädchen mit dem Bracht-Handgriff zu entwickeln.

 

 

Wie schon befürchtet hatte das Kind beide Arme hochgeschlagen und ich setzte zur klassischen Armlösung an.

Diese funktionierte einwandfrei und ging mir erstaunlich routiniert von der Hand. Ich hätte gedacht, dass es deutlich schwerer und ganz anders ist als an der Puppe, an der wir in der Ausbildung immer geübt haben. In dem Moment habe ich an meine Lehrer in der Ausbildung denken müssen.

 

DANKE an dieser Stelle an Frau Mausolf, Frau Vernekohl und Frau Panitz für die zahlreichen Phantomübungen. Auch wenn man es an einer Puppe übt, bleibt der Handgriff der gleiche :)
Und wenn man nicht mehr darüber nachdenken muss, wie er nochmal funktioniert, merkt man, dass man oft genug geübt hat :D

 

 

Nur der Veitt-Smellie Handgriff zum Entwickeln des Kopfes klappte nicht auf Anhieb und zum Glück betrat Sista Ukengo in diesem Moment den Kreißsaal und half mir.
Anfangs war das kleine Mädchen ziemlich schlapp, berappelte sich aber dann und ich konnte aufatmen.

 

 

Bei dieser Geburt hätte ich mir mehr Unterstützung gewünscht. Noch immer habe ich ein komisches Gefühl wenn ich an die Geburt zurückdenke und bin der Meinung, dass jemand mit mehr Erfahrung die Situation sicherlich besser gemeistert hätte.
Ich wurde ins kalte Wasser geschmissen und zum Glück ist alles gut gegangen..

Nach anschließender Versorgung der Frau, Verlegung des Kindes auf die Intensiv (immer bei BEL) und Dokumentation verließ ich den Kreißsaal 3 h nach Feierabend – wie so oft in letzter Zeit machte ich Überstunden.

 

Privat:

 

Nicht nur wir kehrten von unserer Reise zurück, auch Felix und Dario kamen nach 4-wöchiger Reise mit der Feuerwehr endlich wieder zurück nach Dar. Wir aßen abends vor dem Sprachkurs bei Lee und hatten uns einiges zu erzählen. Schön, dass die zwei wieder da sind!

Freitags kam Felix auch noch abends zu uns und wir spielten ein paar Spielchen bei einem kühlen Bier :)

Am Sonntag (18.12.) hatten wir wieder den ganzen Tag Stromausfall und unsere Geräte waren nicht geladen. Wir nutzten die Zeit und spielten zusammen ganze 4,5h Monopoly. Das können wir gerne öfter machen :D

Montags gab es dann einen kleinen Zwischenfall bei der Post. Melanie wollte ihr Paket, dass ihre Eltern ihr geschickt hatten, abholen und der Mitarbeiter bei dem Postamt verlangte Geld. Er sprach von 50.000 TSH und meinte, dass das Steuern seien, die man bezahlen müsse.
Daniel, unser Mentor, eilte zum Postamt und versuchte die Situation zu klären. Am Ende durfte Melanie ihr Paket dann für 20.000 TSH mitnehmen und freute sich sehr über den Inhalt. Doch, seit wann kann man um Steuern handeln?

Das ist wohl ein Nachteil, wenn man „weiß“ ist und jeder automatisch denkt, dass man Geld hat..

 

Unter der Woche habe ich meine Zeit größtenteils damit verbracht, Berichte für Zeitungen zu schreiben und meinen Blog zu aktualisieren..

 

 

 

Am Donnerstag vor Weihnachten begrüßten wir ganz herzlich Sarah, eine sehr gute Freundin von Corinna. Sie brachte einen ganzen Koffer mit Mitbringseln und Geschenken aus Deutschland mit.

 

Wir freuten uns tierisch und preparierten unseren kleinen Baum mit allen Geschenken.

 

Am Freitag gab es dann ein legendäres Frühstück mit Knäckebrot und Leberwurst! Corinna und ich haben es quasi zelebriert und sehr genossen!

 

Danke Mama! ♥

 

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